Mama modelt & meditiert
Was wäre, wenn ihre Lottie in Heidis Castingshow wollte? Die Antwort der erfolgreichen Kathrin Werderitsch finden Sie in ihrem Porträt.
Kathrin Werderitsch © Susan Buth
Jeder Mensch ist schön. Und Schönheit liegt immer im Auge der Betrachter*innen. Trotzdem behaupte ich: Es gibt besonders schöne Menschen. Zu ihnen zählt Kathrin Werderitsch. No na, werden Sie jetzt denken, dass sie Model ist, steht in der Überschrift. Warum ihre Schönheit zusätzliche Betonung verdient, liegt an ihr: Wir trafen uns in einem Café zum Interview. Kathrin trug Jeans, einen Pulli in der Farbe von Vanillecreme, sie war dezent geschminkt – kurzum: Sie war stylisch, aber nicht aufgedonnert. Sie ist kein lauter Mensch, sie ist sogar eher introvertiert, sagte sie später im Gespräch. Trotzdem: Als sie das Lokal betrat, gehörte die „Bühne“ für einen Moment ihr. Ganz ohne Rampenlicht.
Das Modeln
Kathrin Werderitschs Eltern stammen aus Stegersbach und Ollersdorf. Dort leben die Großmütter und „seit meine Großväter gestorben sind, treffen sie einander jede Woche zum Kaffeekränzchen“, bewundert sie die Enkelin für ihr schönes Ritual. Kathrin wurde in Oberpullendorf geboren, ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie mit ihren studierenden Eltern und Tanten in Wien. Ihr Papa wurde Programmierer, ihre Mama Hauptschulpädagogin. Kathrin fiel Scouts schon auf, da war sie erst zwölf und „definitiv zu jung zum Modeln“. Sie sei rasant gewachsen, „1,80 war für mich okay, aber mit 13, 14 habe ich mir gedacht: bitte nicht mehr größer werden.“ Als sie „älter“ wird, häufen sich die Anfragen; einmal tippt ihr jemand bei einem Urlaub in Cannes auf die Schulter, ein anderes Mal in New York. Den Beruf fand sie reizvoll, aber sie stand instinktiv auf der Bremse.
Mit 16 macht sie ihre ersten Jobs. „Man hat mir schon ein bisschen Druck gemacht, aber ich wollte unbedingt die Matura haben“, erzählt sie. „Wenn mich heute jemand um Rat fragt, sage ich: Mach so viel Ausbildung wie möglich, vielleicht auch noch ein Studium. Bei mir sind 20 Jahre vergangen und ich modele immer noch.“ Heute ist das „Einstiegsalter“ ohnehin tendenziell höher, aber Kathrin lernte auch schon früher viele Models kennen, die später starteten, „dadurch viel gefestigter in ihrer Persönlichkeit waren und mit allem besser umgehen konnten“.
„Paris, Athen, Mailand, New York – ich habe das Reisen geliebt, mich aber oft allein gefühlt“, erinnert sie sich. Freundschaften zu pflegen, wenn man nirgendwo zu Hause ist, erwies sich als schier unmöglich.
Immer schön. Kathrin Werderitsch begann mit 16 zu modeln. Die Fotos hier stammen kreuz und quer aus den vergangenen gut 20 Jahren.
„New York mochte ich sofort“, sagt sie. „Die Menschen sind offen, man wird mit viel Respekt behandelt, egal wie man aussieht und woher man kommt.“ Sie übersiedelt trotz der damals schon horrenden Mietsummen dorthin und wenngleich sie tolle Jobs an Land zieht, lebt sie lange bescheiden in Harlem. „Ich wollte das Geld sparen, ich wusste ja nicht, wie es weitergeht.“ Also teilt sie sich mit anderen Mädels „sagenumwobene“ Modelappartements mit drei, vier Stockbetten und einem Badezimmer. „Wir hatten auch immer Mäuse, aber wenn man jung ist, macht man sich über solche Dinge nicht so viele Gedanken“, lacht sie.
Kathrin war auf mehreren Covers und steht bis heute für große Fashionstrecken vor der Kamera, aber all das erwähnt sie nicht, wenn ich sie nach ihren schönsten Momenten frage. „Am meisten inspirierte mich ein Job in Japan, da war ich vielleicht 20“, erzählt sie. Sie war für die Kampagne einer Handtaschenmarke gebucht. „Wir mussten ganz früh im Penthouse eines neuen Hotels sein, und ich erinnere mich genau, wie die Sonne aufging und wir direkt auf den Mount Fuji blickten, ein unglaublicher Wow-Moment.“
Das Meditieren
Sie besucht immer wieder Collegekurse, die Neugier auf ein Studium ließ sie lange nicht los. „Aber es war mit meinen Jobs nicht vereinbar.“ Sie absolviert einen Ernährungslehrgang – und entdeckt schließlich Yoga für sich. „Egal wie ich drauf war, was mir alles durch den Kopf ging, nach Yoga fühlte ich mich immer besser.“ Sie inhaliert Hunderte Stunden Ausbildung. All die Kraft, die ihr Yoga und Meditation gaben, wollte sie auch weitergeben. „Ich glaube, dieses ,Lehrerding‘ habe ich in der Familie. Meine Mama ist Lehrerin, mein Onkel, meine Tanten, meine Schwester auch.“ Sie mag es, wie Yoga ihr Körperbewusstsein veränderte; durch das Meditieren gelang es ihr, weniger impulsiv zu sein. „Ich habe gelernt: Gedanken und Dinge kommen und gehen.“ Sie unterrichtet in New York in Members Clubs, bald buchen sie Unternehmen als Benefit für ihre Mitarbeiter*innen. „Fürs Teambuilding kann man mit den Angestellten essen gehen oder gemeinsam meditieren und damit sowohl die Gemeinschaft stärken als auch das seelische Wohlbefinden der Einzelnen.“ Manche buchen sie jede Woche, quasi statt dem Drei-Uhr-Kaffee, wie sie sagt. „Meditieren ist nicht nichts denken; wir atmen und beobachten die Gedanken. Wenn ich mit einer Gruppe regelmäßig meditiere, wird es komplexer: Man kann dabei nicht nur für sich etwas Gutes tun, sondern danach auch positive Gedanken in die Welt hinaustragen.“ Die Pandemie lenkte auch Kathrins Leben in neue Bahnen, aber es gelingt ihr schnell, virtuelle Lösungen in ihre Programme miteinzubeziehen. Mehr noch: Sie baute eine Onlineplattform auf, die sie mit Yoga- und Meditationsvideos befüllt – seit Kurzem auch für Schwangere bzw. für Frauen nach der Entbindung.
Wenn mich jemand um Rat fragt, sage ich: Mach viel Ausbildung, das Modeln kann warten.
Kathrin Werderitsch
Das Mamasein
Vor gut zwei Jahren heiratete Kathrin Werderitsch; seit vergangenem Winter bereichert die kleine Lottie ihr Leben. Es sei vor allem eine Bauchentscheidung gewesen, dass das Trio nach Wien übersiedelte – „ohne New York ganz aufzugeben“. Vielleicht waren es auch die schlimmen Erfahrungen des letzten Jahres, die ein bisschen Heimweh weckten. „Ich hatte immer die Befürchtung vor Depressionen nach der Geburt, wie sie manche Mütter beschreiben, aber ich hätte nie gedacht, dass ich körperlich Schwierigkeiten haben könnte“, sagt sie. Monatelang litt sie unter extremer Übelkeit und Erbrechen, „in den Filmen zeigen sie immer: Die Frau geht einmal kotzen und der Tag geht weiter. Ich habe mich durchgehend schrecklich gefühlt. Ich war geschockt.“
Bei der Geburt kommt es zu Komplikationen; „ich konnte danach drei Wochen lang nicht gehen, sitzen oder stehen“, beschreibt sie. „Es war traumatisierend.“ Mit gutem Grund spricht sie offen über ihre Erfahrungen; sich mit anderen Frauen auszutauschen, die Ähnliches erlebt hatten, half ihr am meisten, sagt sie. „Bis heute wird noch so vieles tabuisiert.“ Was sie durchmachte, drängte jegliche Gedanken über ästhetische Aspekte weit zurück. „Ich habe mir nur gewünscht, endlich mit meinem Baby spazieren gehen zu können.“
Kathrin ist happy, dass sie heute das Leben als Mutter genießen kann: „Lottie ist die süßeste Maus auf der Welt und wir – mein Mann, die Familie und unsere Babysitterin – sind ein echt gutes Team.“ Schließlich gilt es auch, in Wien Fuß zu fassen. Sie entwickelt KathrinWerderitsch.com weiter und es poppen schon neue Pläne im Bereich Frauengesundheit auf.
Eine Frage noch: Dürfte Lottie in Heidis Castingshow? „Ich schaue mir das ja nicht an“, lacht Kathrin Werderitsch. „Ich würde mal die Vor- und Nachteile mit ihr besprechen. Mich würde es ja nerven, die ganze Zeit gefilmt zu werden. Aber wenn sich das jemand antun möchte?! (Denkpause) Über die Pros müsste ich noch mal nachdenken.“
Interview. Kathrin Werderitsch mit Redakteurin V. Kery-Erdélyi