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Sophie Forster-Vogelsberger: Der Körper ist kein Trend

Die zertifizierte Body Image Coachin und Influencerin über ihr neues Buch.

9 Min.

Viele Jahre lang hatte Sophie Forster-Vogelsberger (33) ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper und Essen. Immer fühlte sie sich unzulänglich. Bis ihr bewusst wurde, dass keine Diät der Welt sie glücklicher und zufriedener machen würde ….

Sophie Forster-Vogelsberger hat die Tage vor ihrem Urlaub immer damit verbracht, sich komplett runterzuhungern. Nur um sich im Bikini an den Pool zu trauen – und um das Essen zu kompensieren, das sie sich im Urlaub mit viel schlechtem Gewissen erlauben wollte. Sie hat vor Restaurantbesuchen online die Menüs durchgesehen, um zu kontrollieren, ob sie auf der Speisekarte etwas finden würde, was ihren eigenen Essensregeln entsprochen hat. Sie hat Essens-Treffen mit Freunden abgesagt oder ist erst später dazu gekommen, damit sie sagen konnte: „Ich habe schon gegessen.“ 

Sophie Forster-Vogelsberger hatte mehr als 15 Jahre ihres Lebens ein gestörtes Essverhalten und in den schlimmsten Phasen sogar eine Essstörung. Dafür hauptverantwortlich macht die aus St. Florian bei Linz stammende 33-Jährige die sogenannte Diätkultur, die uns täglich vorbetet, dass man nur mit einem schlanken Körper glücklich sein kann. Wie sie es geschafft hat, einen entspannten Umgang mit ihrem Körper und eine gesunde Beziehung zu Essen zu entwickeln, beschreibt sie in ihrem neuen Buch. 

Frau Forster-Vogelsberger, Ihr Buch trägt den Titel „Dein Körper ist kein Trend“. Warum ist unser Körper kein Trend?

Sophie Forster-Vogelsberger: Sieht man sich das vergangene Jahrhundert an, merkt man schnell, dass sich die Schönheitsideale für Frauen im Zehn-Jahres-Takt verändert haben – und seit den Nullerjahren gefühlt noch schneller.

So waren die 50er-Jahre geprägt von der Sanduhr-Figur à la Marilyn Monroe, die 60er hingegen von der kindlich dünnen und puppenhaften Modelikone Twiggy. In den 90er-Jahren war wieder ein extrem dünner Schönheitsstandard im Trend – der sogenannte „Heroine Chic“. Anfang der 2000er war „Slim Thic“ angesagt – also große Brüste und große Hintern.

Es gibt keine Frau, die all diesen Schönheitsidealen gleichermaßen gerecht werden kann, ohne ihren Körper künstlich beziehungsweise durch Schönheitsoperationen zu verändern. Wir müssen also endlich damit aufhören, vor allem Frauen vorzuschreiben, in welche Schablonen sie zu passen haben. Stattdessen sollten wir anfangen, sie zu ermutigen, sich für ihre Besonderheiten und ihre individuelle Schönheit zu feiern! 

Wir sollen also jene Dinge feiern, die uns besonders machen. Das klingt in der Theorie fantastisch. Warum fällt uns das in der Realität trotzdem so dermaßen schwer? 

Der Grund dafür liegt in der Diätkultur, die uns ständig umgibt, uns alle unsere Unsicherheiten täglich vor Augen hält und aus unseren Ängsten Profit schlägt. Die Diätkultur lebt davon, uns immer wieder vorzubeten, dass Dünnsein erstrebenswert ist, dass es glücklich oder auch erfolgreich macht.

Wenn man mit diesen Glaubenssätzen erwachsen wird, ist es schwierig, sich selbst gern zu haben – vor allem, wenn man nicht diesem Ideal entspricht. Die klassischen Medien, Werbung und Social Media tun hier ihr Übriges dazu. Vor allem auch die vielen Filter auf Social Media, durch die wir denken, dass alle anderen dem Schönheitsideal entsprechen, sichtbare Bauchmuskeln, ebenmäßige Haut und voluminöses volles Haar haben.

Dass das, was wir da im Internet sehen, meistens nicht der Realität entspricht, ist uns oft gar nicht bewusst und wir enden in einer Vergleichsspirale mit einer Person, die ohne Filter und Bearbeitung so gar nicht existieren würde. Wir können hier also nur verlieren. Deshalb ist es so wichtig, sich der Diätkultur bewusst zu werden, sie zu entlarven und sich vor Augen zu führen, dass wir wesentlich mehr sind als nur unser Aussehen beziehungsweise unser Körper. 

©Shvets Anna

Sie hatten selbst Ihr halbes Leben lang ein gestörtes Essverhalten und nahezu alles ausprobiert, was der Diätmarkt hergibt – um Jahre später festzustellen, dass dahinter eine Riesenmaschinerie steckt, der es in erster Linie um Profit geht. Ist das den meisten Menschen viel zu wenig bewusst? 

Ja, das denke ich auf jeden Fall! Deshalb war und ist es mir auch so wichtig, darüber aufzuklären und laut zu werden. Die Diätkultur ist allgegenwärtig. Und weil wir mit ihr aufgewachsen sind, kommen uns diese vielen Glaubenssätze so unfassbar normal vor.

Aber wie ich bereits gesagt habe, können wir erst aktiv gegensteuern und uns auf andere Dinge konzentrieren, wenn uns das alles bewusst wird. Erst dann können wir zum Beispiel sehen, was unser Körper täglich für uns tut, anstatt den Fokus nur auf das Aussehen zu legen. 

Haben die sozialen Medien diesen ganzen Wahnsinn noch zusätzlich verschärft? 

Ja, definitiv, Social Media ist ein Highlight-Reel! Der Großteil der Creator:innen zeigt sich auf Instagram und Co. perfekt gestylt und ohne Makel. Meistens wird mit Filtern, Bearbeitungssoftware und bestimmten Posen nachgeholfen, um ein perfektes „Alter Ego“ zu erschaffen, das keine Poren, Unreinheiten, Falten, Cellulite oder auch nur ein Gramm Fett am Körper hat.

Creator:innen können sehr genau kontrollieren, was und wie sie ihren Content teilen. Dass die Person, mit der wir unseren Körper und unser Leben dann vergleichen, vielleicht selbst keine gesunde Beziehung zu ihrem Körper oder dem Essen hat oder mit Apps bei ihrem Erscheinungsbild nachhilft, können wir nicht wissen. Die Folge ist eine Vergleichsspirale, die uns mit Selbstzweifeln und Frustration zurücklässt, und das wiederum ist ein idealer Nährboden für die Diätkultur und all ihre „wunderbaren“ Produkte. 

Welche Erkenntnis war für Sie der wichtigste Gamechanger auf Ihrem Weg heraus aus dem Diät-Terror? 

Die wichtigste Erkenntnis war für mich, als ich gemerkt habe, dass ich Sättigung wieder spüren kann, wenn ich auf meinen Hunger höre. Ich habe die Bedürfnisse meines Körpers über viele Jahre hinweg ignoriert und mich immer gewundert, warum ich nur schmerzenden Hunger oder „Übervollsein“ fühlen kann.

Bis ich gemerkt habe, dass mein Körper alle Signale leiser gestellt hat, weil ich aufgehört habe hinzuhören und mein Hungergefühl immer ignoriert habe. Erst als ich wieder eine Zeit lang meinen Hungerbedürfnissen nachgekommen bin, hat mein Körper langsam Vertrauen gefasst und mir auch gezeigt, wann er satt war. Ein schönes Gefühl!

Sie schreiben im Buch immer von „mehrgewichtigen“ Menschen. Warum gefällt Ihnen das Wort „Übergewicht“ nicht? 

Es geht darum, achtsamer und inklusiver in meiner Sprache zu sein. Über- oder Untergewicht impliziert, dass es für Körpergewicht ein definiertes Maß gibt, das entweder über- oder unterschritten wird. Diese Kategorisierung wurde maßgeblich durch den Body-Mass-Index (BMI) geprägt. Er ist stark fehlerhaft und wurde eigentlich niemals dafür entwickelt, um Aussagen über den Gesundheitszustand eines Menschen zu machen. 

Warum sagt der BMI nichts über den Gesundheits-
zustand eines Menschen aus? 

Es ist so unfassbar wichtig, über die Fehler des BMI aufzuklären, weil er in unserem Gesellschaftssystem so viel Macht hat. Menschen, die nicht im Normbereich des BMI liegen, bekommen keine Gesundheitsversicherung oder haben manchmal sogar nicht die Möglichkeit, einen IVF-Prozess zu beginnen.

Er schließt Menschen aus und stigmatisiert sie – und das oft schon in jungen Jahren. Dabei wurde er nie dafür entwickelt, ihn auf individueller Ebene anzuwenden – ganz davon abgesehen, dass bei seiner Entwicklung nur Messwerte weißer, europäischer Männer herangezogen worden sind, was alleine schon ein Riesenproblem darstellt. Er bezieht weder verschiedene Ethnizitäten noch Geschlechter und Altersgruppen ein. 

Ständig geht es ums Schlanksein. Sollte es nicht unser Ziel sein, uns ausgewogen zu ernähren und regelmäßig zu bewegen, um unserem Körper und unserer Psyche etwas Gutes zu tun und möglichst lange möglichst gesund bleiben zu können? 

Ja, genau darum sollte es eigentlich gehen! Aber dank der Diätkultur haben vor allem wir Frauen bei Essen und Sport nur Kalorien im Kopf. Deshalb machen auch so viele Frauen nur Cardio, weil sie dabei die meisten verbrannten Kalorien sehen.

Dafür zwingen sie sich stundenlang aufs Laufband, obwohl gerade Krafttraining so wichtig für unseren Bewegungsapparat ist – vor allem, wenn man fit altern möchte. Außerdem ist es unglaublich schön zu merken, dass man Kraft hat und stark ist. Aber das steht natürlich im Gegensatz zur patriarchal geprägten Diätkultur, die es gern sieht, wenn wir Frauen uns kleiner machen. 

Wenn Sie heute zurückdenken – mit dem Wissen, das Sie in der Zwischenzeit gesammelt haben: Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie das schon als Teenager gewusst hätten? Glauben Sie, dass Sie mit Ihrem Körper Frieden schließen hätten können? 

Ich glaube, dass bei mir alles seine Zeit hatte. Ich war eine sehr stille Teenagerin und hätte mich wahrscheinlich nicht getraut, mit meinem Wissen so nach außen zu treten, wie ich das heute tue. Und ich wäre dennoch beeinflussbar gewesen. Vor allem weil wir damals wie heute in einer Kultur und Gesellschaft leben, die genau das Gegenteil propagiert.

Aber Kultur ist nichts, was einfach so um uns herum existiert. Kultur sind wir und wir sind Kultur. Wir können sie verändern, wenn wir wollen. Wenn wir diese problematischen Glaubenssätze und Ideale nicht mehr durch uns durchfließen lassen und sie auch nicht mehr weitergeben, dann schaffen wir neue Normen, neue Überzeugungen und neues Vertrauen.

Und Generationen, die uns folgen, wachsen dann mit diesen neuen Normen auf und brauchen vielleicht auch gar nicht mehr Frieden mit Körper und Essen schließen, weil sie nie aus der Balance kommen. Das wäre zumindest mein Wunsch. 

Buchtipp: „Dein Körper ist kein Trend“, Sophie Forster-Vogelsberger, Verlag Kinesis Publishing, € 22 ©Manuel Vogelsberger

Wie lange wird es noch dauern, bis ein gesellschaftliches Umdenken stattfindet und es keine Diätkultur mehr gibt? Wie nehmen Sie da auch uns als Frauenmagazin in die Pflicht? 

An manchen Tagen habe ich das Gefühl, dass wir schon einen großen Schritt weiter sind. Aber dann mache ich zwei Schritte aus meiner Bubble heraus und höre Menschen in meinem Umfeld von einer neuen Crashdiät schwärmen oder sehe fettfeindliche Kommentare unter dem Reel einer meiner Lieblings-Creatorinnen. Dann merke ich, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben.

Was Frauenmagazine anbelangt, habe ich das Gefühl, dass es bereits in eine richtige Richtung geht. Viele Magazine legen ihren Fokus bereits weniger auf das Schüren von Unsicherheiten und Schlagzeilen à la „Die schlimmsten Bikinifotos der Stars“, sondern gehen mehr auf Individualität ein und zeigen unterschiedliche Körperformen. Das ist wichtig. Denn das, was wir täglich sehen, beeinflusst das, was wir als „normal“ ansehen und im Umkehrschluss natürlich auch unsere Selbstwahrnehmung. 

Wen möchten Sie mit Ihrem Buch erreichen? 

Ich möchte vor allem Millennials-Frauen erreichen, die so wie ich in einer Zeit erwachsen wurden, die von öffentlichem Bodyshaming der Presse und der „Nothing tastes as good as skinny feels“-Mentalität geprägt war. Frauen, die heute nach vielen Jahren voll schwieriger Beziehung zu Essen und ihrem Körper endlich Frieden schließen möchten.

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